Blogparade: Messenger & Co. – Wie kommunizieren Unternehmen in Zukunft mit Kunden und Followern?
Im Rahmen der Blogparade von Socialhub zum Thema „Messenger und deren Potentiale“ haben sich Michaela und Eckhard intensiver mit den Chancen und Risiken für die Unternehmenskommunikation auseinandergesetzt und den Trend, der sich schon zu Beginn des Jahres abzeichnete, näher unter die Lupe genommen.
Weiteren spannenden Input zu diesem Thema findet ihr unter dem Hashtag #SoMeParade.
Welche Chancen und Risiken ergeben sich durch Messenger für die professionelle Kundenkommunikation?
„Märkte sind Gespräche“ heißt es in dem berühmt berüchtigten Cluetrain-Manifest an erster Stelle. Zu Hause befinden sich diese Gespräche im digitalen Zeitalter dabei auf Messenger Apps wie Snapchat, WhatsApp, dem Facebook Messenger oder Slack.
Der kommunikative Austausch auf dem Smartphone mit anderen Personen hat sich inzwischen handfest etabliert und die SMS obsolet werden lassen. 2015 wurden in Deutschland weniger SMS verschickt als 2001. Dem gegenüber wurden 2015 täglich 667 Millionen WhatsApp-Nachrichten verschickt, was den 16-fachen Wert an SMS entspricht – Tendenz steigend. Erst vor Kurzem vermeldete Facebook einen weiteren Meilenstein: mehr als eine Milliarde Menschen nutzen den Facebook Messenger im Juli 2016.
Rund 70 % der Deutschen verwenden nach eigener Angabe regelmäßig Messaging Apps, wobei sich WhatsApp deutlich an vorderster Stelle befindet. Weltweit betrachtet finden Messenger sogar noch mehr Anklang als Social Media-Plattformen. Weitaus weniger überraschend wirkt daher die Strategie zahlreicher Unternehmen, Messenger Apps in den bestehenden Kommunikationskanal mit einzubeziehen. Größter Befürworter des Vormarsches an Messaging als Marketingkanal dürfte derzeit Facebook selbst sein, das während der hauseigenen Konferenz f8 eine Messenger Plattform für Bots vorgestellt haben. Wie solche Facebook Messenger-Kanäle aussehen können, zeigen Pilotprojekte wie Poncho oder der Fussballticker der Bild. Beispiele für Messaging abseits des Facebook Messengers sind z.B. die WhatsApp-Studienberatung der Hochschule Anhalt, der Bot des Nachrichtendiensts Quartz oder die interne Kommunikation der Stadtwerke Erfurt.
Chancen des Einsatzes von Messengern
Hinsichtlich des Einsatzes von Messengern in der Kommunikationsstrategie ergeben sich eine Vielzahl an potentiellen Chancen, denen sich Unternehmens bewusst sein sollten.
Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit, Aufmerksamkeit
Ein Hype um Installationen einer App, wie es derzeit bei Pokémon GO der Fall ist, repräsentiert die Ausnahme in einer sich zuspitzenden Plattform-Ökonomie. Internet User verlassen das offene Web und bewegen sich entsprechend der Netzwerkeffekte auf Facebook, Snapchat und Instagram. Dieser Effekt ist auch auf dem Smartphone zu beobachten, wo nur noch selten neue Apps installiert werden.
Die Wahrscheinlichkeit einer neuen App-Installation ist demnach nicht sonderlich hoch, wohingegen das Abonnieren verschiedener Inhalte auf bereits installierten Apps deutlich erfolgsversprechender erscheint. Neben der Bereitstellung von Informationen auf bereits vorhandenen Apps bieten Messenger weiterhin die klassische Funktion der Push Notification, die den Grad der Aufmerksamkeit einer Mitteilung nochmals erhöht.
Conversions leicht gemacht
Bereits Ende des Jahres 2014 entwickelte Snapchat eine Funktion, mit der es ermöglicht wurde, Geld mit Hilfe einer Nachricht an einen anderen Kontakt zu überweisen. Dazu musste lediglich der gewünschte Wert eingegeben und an die Zielperson geschickt werden.
Diese Funktion wurde mittlerweile auch für den Facebook Messenger und WhatsApp in einigen Ländern getestet bzw. ausgerollt, ist jedoch noch nicht weltweit verfügbar. Diese Option wäre besonders für kleinere Unternehmen (u.a. Cafés, Bars, Imbisse) interessant, die somit auch bargeldlose Kunden ansprechen und die Transaktionen möglichst einfach gestalten könnten.
Zusätzlich besteht mit der Facebook Messenger-Plattform die Möglichkeit der Erstellung von Bots, die für Bestellvorgänge optimiert sowie automatisiert werden können. Besonders Bestellungen von Essen, Kino oder Konzertkarten oder anderen schnelllebigen Konsumgütern bieten sich dafür an. Eine Facebook-Nachricht an den Pizza Lieferservice und die Bestellung ist abgeschlossen. Easy!
Branding & Kundenbindung
Unter allen Kommunikationskanälen lässt sich Messaging wohl als der intimste Kanal verstehen. Hier kommunizieren Menschen mit der Freundin oder dem Freund, planen mit Freunden den nächsten Urlaub oder erfahren von der Mutter, wann der nächste Familientreff bevorsteht. Unternehmen sollten sich in diesem Bereich äußerst vorsichtig verhalten und nicht den klassischen Werbeton anschlagen, der auf anderen Kanälen verwendet wird. Gelingt es ihnen dabei, eine Mischung aus exklusiver Information und Unterhaltung zu kreieren, kann dieser Kanal eine beispiellose Möglichkeit des Brandings sein und Kunden langfristig an das Unternehmen binden.
Risiken und Herausforderungen beim Einsatz von Messengern in der Unternehmenskommunikation
Fern ab der Early Adopter gibt es immer eine breite Masse, die den technischen Fortschritt mit kritischen Augen betrachtet. Gerade, wenn Anwendungen noch nicht ausgereift erscheinen und hier und da Kinderkrankheiten auftreten, werden viele Innovationen voreilig als sinnlos oder gefährlich eingestuft. Auch das Thema „Messaging“ ist davor nicht gefeit und viele kritische Stimmen kommen zu Wort, denen sich Unternehmen stellen müssen.
Datenschutz
Datenschutz ist zum Metabegriff der deutschen Digitalwirtschaft geworden und keine App oder Internetseite kann sich ihm entziehen. So steht Datenschutz auch beim Thema „Messaging“ hoch im Kurs. Fakt ist, wer sich von Chatbots im Alltag unterstützen lässt, bargeldlos per App zahlt oder Lieferungen per Direktnachricht ordert, kommt nicht umhin, seine Daten und sein digitales Verhalten preiszugeben. Keine der oben genannten Chancen funktionieren ohne eine Datenbasis des Users. Wenn künstliche Intelligenz richtig zum Einsatz kommen soll, so braucht sie einen Nährboden voll mit Datenmaterial. Das gefällt nicht jedem Nutzer, so geht beispielsweise ein Viertel der Deutschen aufgrund von Sicherheitsbedenken keine Onlinebankgeschäfte ein. Denn trotz Datenschutzsiegel wie dem e Privacy Siegel ist das Vertrauen in die Datenhoheit mancher Anwendungen sehr gering und die eigenen Nutzerdaten heilig, denn nicht jeder nimmt es mit dem Datenschutz so ernst. Unternehmen wie Facebook können beispielsweise Gespräche, Bilder und Texte legal eingesehen. Beim App-Test der Stiftung Warentest belegte der Nachrichtendienst von Facebook daher auch den letzten Platz. Dienste wie WhatsApp und Threema nehmen sich jedoch des Datenschutzthemas an und verschlüsseln die Nachrichten via Ende-zu-Ende Verschlüsselung und versuchen damit dem Nutzer ein Vertrauensgefühl zu geben. Der Facebook Messenger zieht diesen Sommer aber auch hier nach und will eine sichere Verschlüsselung der Nachrichten garantieren. Trotz steigender Relevanz des Thema Datenschutzes, sehen viele Nutzer einen extremen Einschnitt in ihre Privatsphäre und lehnen Apps mit fehlenden Datenschutzregelungen ab. Diese Herausforderung gilt es für die Unternehmen zu meistern, indem sie mit ihren Anwendungen ein Sicherheitsgefühl übermitteln und versuchen, den Datenschutzstandard einzuhalten.
Grenzen der künstlichen Intelligenz bei Messengern
Individualisierte Botschaften – ein weiteres Buzz Word der heutigen Werbebranche. Wir surfen bei Amazon und wollen uns eine Weste, ein Regal oder ein Buch kaufen und wenig später sehen wir die Weste, das Regal und das Buch in einer Facebook-Anzeige. Auch bei individuellen Problemen sollen Chatbots Abhilfe schaffen, wenn wir uns beispielsweise im Online-Kundencenter eines Mobilfunkanbieters nicht zurechtfinden. Aber was passiert bei spezifischen Fragen und Problemen? Die künstliche Intelligenz kann aufgrund ausgeklügelter Algorithmen schon einiges leisten, aber nicht alle Dienste schaffen es, auf individuelle Anfragen sinnvoll zu antworten. Die Anwendungen sind zwar individualisiert, aber noch nicht individuell. Die Bots finden nicht auf alles eine Antwort, sind statisch und unflexibel. Unternehmen gehen mit dieser Inflexibilität das Risiko ein, ihre Nutzer zu verlieren, daher sollten gerade zu Beginn der Entwicklung Grenzen der Technologie kommuniziert werden.
Technische Risiken
Trotz Verschlüsselungen sind Messenger nicht hundertprozentig gegen Hackangriffe gewahrt. Das Risiko von Fremdeinwirkung und Zugriffe auf Webseiten steigt durch die Nutzung. Die Geschichte von WhatsApp erzählt immer wieder von Sicherheitslücken, die durchbrochen wurden und somit Schaden beim Endnutzer anrichteten, was sich auf das Vertrauenskonto der App nicht positiv auswirkte. Spätestens bei höchst sensiblen Daten, die Geldtransaktionen betreffen, sieht der kritische Bürger rot.
Dass es auch noch Optimierungsbedarf hinsichtlich der Datengenerierung gibt, zeigt das Negativbeispiel Tay. Der Chatbot von Microsoft mutierte während eines Tests zum menschenhassenden Nazi-Sexisten, weil er die negativen Datenströme ohne sozialkritische Bewertung übernommen hat. Das Experiment ging somit ziemlich in die Hose und zeigt einmal mehr, dass die Technik noch lang nicht an der optimalen Nutzung angekommen ist.
Fehlende Akzeptanz
Neben all den Vorteilen und Vereinfachungen der Dienste, sieht der User aber recht schnell die Monetarisierung hinter den Apps. Wenn ein Chat den Nutzer mit Produkten vollspamt, kann der Mehrwert schnell in Überflutung umschwenken. Denn zu hohe Penetration führt schnell zu Protest und Misstrauen gegenüber der Marke.
Man glaubt es kaum, aber es soll immer noch Nutzer geben, den Face to Face- Kontakt (oder wenigstens eine menschliche Stimme) schätzen und nicht missen wollen, sofern dieser kompetent ist. Der Einsatz von Messaging muss zum einen zum Produkt passen und zum anderen zur Zielgruppe der Brand.
Content und Reichweite mit WhatsApp
Gerade in Verbindung mit WhatsApp Marketing kommt der potentielle Werbetreibende schnell an seine Grenzen in Bezug auf Reichweite und Content. Denn auch für Unternehmen gilt: ein und dieselbe Nachricht kann an nicht mehr als 256 Nutzern geschrieben werden und diese darf dazu nicht zu werblich klingen. Daraus resultiert ein hoher Erstellungsaufwand für eine geringe Reichweite.
Durch die Möglichkeit des Teilens und Weiterempfehlens via WhatsApp-Sharing Button, verliert das Unternehmen den Einfluss auf die weitere Verwendung der Nachrichten und kann somit auch keine Negativbewertungen mehr steuern.
Trafficverlust auf Unternehmensseite
Durch die Auslagerung der Dienstleistungen auf externe Apps schwindet natürlich ein Teil des Traffics auf die eigenen Webseiten und in die Shops. Ähnlich wie bei Instant Articles ist die Usability für den User damit zwar um einiges bequemer, aber die Webseitenaktivitäten könnten sich um einiges reduzieren, da Nutzer nicht mehr auf der Seite in den Produktkatalogen surfen. Dies wiederum hat einen Einfluss auf Werbeformate wie dynamische Produktanzeigen und Remarketing.
Fazit
Unabhängig von allen Vor- und Nachteilen, die Messaging mitbringt, steht eines fest: Mobile is eating the world. Die Nutzung mobiler Endgeräte steigt nicht nur stetig, nein, das Smartphone hat sich als fester Begleiter im Leben etabliert und mit ihm die Nachrichtendienste. Im privaten, nicht kommerziellen Umfeld sind Messenger nicht mehr wegzudenken. Auch im Marketing-Mix der Unternehmen werden die Anwendungen in Zukunft immer mehr Beachtung finden, denn in Sachen Reichweite, Frequenz und Usability schlägt kein anderes Instrument die Messenger.
Spannend wird es nun, zu beobachten, wie gut die ersten Entwicklungen der Firmen angenommen werden und vor allem, wann die Kinderkrankheiten geheilt werden. Auch wenn viele dieser Dienste noch nicht ausgereift und/oder akzeptiert sind, werden sie in Zukunft immer mehr in unser Leben einziehen. Erinnern wir uns an die anfänglichen Schwierigkeiten von Siri und sehen jetzt ihre prächtige Entwicklung. Keine Innovation beginnt ihre Entwicklung frei von Fehlern. Geben wir den Tays, Springs und Co. noch ein wenig Zeit zum Lernen und schon bald werden sie so normal sein wie der blaue Haken bei WhatsApp und die Generationen nach uns werden sich fragen, wie früher ohne Chat eigentlich Pizza bestellt wurde!?
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Hi Michaela,
toller Beitrag, den ich gerade mit auf unserer Seite verlinkt habe:
https://blog.socialhub.io/blogparade-messenger-und-co-social-media-trends/
Dass die SMS-Zahlen so stark (d.h. mehr als 75% in den letzten 3 Jahren) zurückgegangen sind, war mir gar nicht bewusst. Inwiefern die Zahl der Nachrichten mit WhatsApp vergleichbar ist, ist allerdings fraglich, da meistens in einem Konversationsthread oder Gesprächsverlauf per WhatsApp mehr Nachrichten als per SMS verschickt werden. Eher vergleichbar wäre die Anzahl der Konversationsthreads, wobei diese Zahlen wahrscheinlich nicht öffentlich sind.
Die App Telegram ist in diesem Zuge auch erwähnenswert, da sie End-to-End-Verschlüsselung bietet.
Danke nochmals,
Philip
Spannend zum Thema finde ich auch noch den Bereich der „Intelligenten Gesichtserkennung“ und die möglichen Anwendungen dazu.
Das zur Zeit diskutierte Paradebeispiel ist die neue, in China entwickelte Software, mit der über ein Bild automatisch das jeweilige soziale Profil gefunden werden und dann für individualisierte Werbebotschaften genutzt werden kann. Beispiel wäre: Man flaniert durch die Stadt, schaut aus Neugierde in ein beliebiges Schaufenster hinein. Über eine im Laden installierte Kamera wird ein Foto geschossen, daraufhin das Profil in den sozialen Medien gesucht und dann mit Re-Targeting Werbung an den Schaufensterbetrachter auf allen Kanälen für die eigenen im Schaufenster ausgestellten Produkte verschickt.
Die Zukunft – und Gegenwart – bleiben jedenfalls spannend!