Studie & Interview: AGB für Partnerprogramme
Vor einigen Wochen haben die Performance Marketing Agentur xpose360, das SEA Analyse- & Fraud-Protection Tool Xamine und RDP Röhl Dehm & Partner Rechtsanwälte eine Studie zur Verwendung von Geschäftsbedingungen in Partnerprogrammen veröffentlicht. Dafür wurden insgesamt 2.183 Partnerprogramme sowie die AGB der Affiliate-Netzwerke untersucht und bewertet. Um diese Menge überhaupt statistisch und inhaltlich erfassen zu können, wurde explorativ vorgegangen. Weitere Informationen zum Erhebungsdesign sind der Studie nicht zu entnehmen. Wir haben die Studie zum Anlass genommen, um mit unseren Rechtsexperten von Spirit Legal LLP genauer über das Thema Partnerprogramm-AGB zu sprechen. Zuvor soll aber kurz noch auf die Ergebnisse der Studie eingegangen werden.
Die Ergebnisse der Studie
Wie bereits erwähnt, wurden für die Studie die Teilnahmebedingungen und Geschäftsbedingungen von über 2.000 Partnerprogrammen und verschiedene Netzwerk-AGB untersucht. Dabei wurde der Fokus auf folgende Vermarktungsthemen gelegt:
- Provisionszahlung
- Der Einsatz von Werbemitteln
- Verwendung von Gutscheinen
- Verwendung von Postview, ReTargeting
- Verwendung von Produktdaten
- ebay
- Werbeumfelder
- Haftung
- Vertragsstrafen
- Nutzungsrechte Bilder
- Meta-Netzwerke
- Rechtsverhältnis
- Betrugsprävention
Dabei wurden die Ergebnisse innerhalb dieser Vermarktungsthemen, aber auch über das gesamte Partnerprogramm hinweg, erfasst. Einige der Ergebnisse finden sich im Folgenden.
Die Affiliate AGB-Studie ergab, dass bei 80% der untersuchten Partnerprogramme keine AGB hinterlegt sind. Darüber hinaus war festzustellen, dass nur ein Bruchteil der untersuchten Anbieter (ca. 2,5 %) wirklich herausragende AGB und Nutzungsbedingungen definiert habe, die laut Studie so gut wie keiner Bearbeitung bedürften.
Für viele Merchants ist das Thema Betrugsprävention besonders wichtig. Auch das wurde in der Studie (bei allen Programmen mit AGB) untersucht. Dabei zeigte sich, dass – wenn auch zum Teil den Autoren zufolge oberflächlich – bei fast allen Anbietern (97%) versucht wurde, Regelungen zur Betrugsprävention zu treffen. So definierten 68% Regeln für SEM Maßnahmen oder 58% für Cookie Dropping.
Ein weiteres Thema sind die Werbeumfelder, also die Platzierungen der Werbemittel durch den Affiliate. Um sich vor unpassenden oder gar markenschädlichen Platzierungen zu schützen, empfiehlt die Studie diese zu regulieren. Die Untersuchung der vorhandenen Regeln dazu ergab, dass 55% der Anbieter mit Partnerprogramm-AGB ausführliche Regelungen zum Thema Werbeumfelder aufgestellt haben. 25% haben das Thema oberflächlich beleuchtet und 20% der Merchants haben diesbezüglich keine Regelungen getroffen.
Weitere Ergebnisse der Studie finden sich hier.
Die Notwendigkeit von Partnerprogramm AGB – Interview mit Spirit Legal
Um die Ergebnisse der Studie, aber auch die grundsätzliche Notwendigkeit von Partnerprogramm AGB zu bewerten, haben wir mit den Rechtsexperten und Anwälten Katja Rengers und Peter Hense von Spirit Legal LLP gesprochen. Das interessante und sehr aufschlussreiche Interview gibt es im Folgenden zu lesen:
Tritt ein Affiliate einem Affiliate Netzwerk bei, so schließt er bereits mit diesem Allgemeine Geschäftsbedingungen ab. Inwieweit ist es notwendig, dass jedes Partnerprogramm zusätzlich noch eigene Geschäftsbedingungen aufsetzt?
[Katja Rengers] Die AGB, die beim Eintritt eines Affiliates in ein Netzwerk in Kraft treten, gelten grundsätzlich nur zwischen dem Affiliate und dem Netzwerk. Eine Bindungswirkung der Affiliates oder des Netzwerkes gegenüber dem Merchant wird damit nicht zwangsläufig ausgelöst. Je nachdem wie konkret und präzise die Netzwerk-AGB die Beziehung zwischen Affiliate und Merchant bereits regeln, werden die Interessen der Merchants bereits aufgrund der Netzwerk-AGB geschützt. Tatsächlich gibt es regelmäßig vertragliche Punkte, auf die der Merchant besonders achten sollte und die im Sinne des Merchants ganz klar und eindeutig geregelt werden sollten. Darunter fallen insbesondere Absprachen zu zulässigen oder verbotenen Werbemitteln, Formaten und –methoden, die Beachtung fremder Rechte z.B. an Bildern oder Marken sowie den Ausschluss von Missbrauch- und Betrugshandlungen sowie die Definitionen von Erlaubtem und Verbotenem, wenn der Merchant sich bewusst in werbliche Grauzonen, wie z.B. Brandbidding begibt. Kurzum sollten zwischen dem Affiliate und Merchant die exakte Quantität und Qualität der zu erbringenden Leistung sowie die Folgen des Zurückbleibens hinter diesem Pflichtenprogramm vereinbart werden.
Dabei muss es sich nicht zwangsläufig um umfangreiche und langatmige AGB handeln, ein „knackiges“ Pflichtenheft für den Affiliate kann die gleiche Wirkung erzielen. Der Schwerpunkt sollte dabei nicht auf juristischen „Gummiklauseln“ liegen, sondern auf einer strikten und belastbaren Leistungsbeschreibung, von der nicht abgewichen werden darf. Eine solche kann auch ein erfahrener Campaign-Manager selbst besser erstellen als die meisten Juristen. Es sollte bei allem „Bohei“ um AGB nicht vergessen werden, dass es bereits von Gesetzes wegen die Hauptleistungspflicht eines Dienstleisters ist, seine Leistung in rechtskonformer Weise zu erbringen. Dies gilt übrigens für Merchants, Affiliates und Netzwerke gleichermaßen.
Sind Affiliate-AGB unbedingt notwendig oder erfüllen auch Regeln in den Programmbedingungen eine adäquate Funktion?
[Peter Hense] Grundsätzlich ist es egal, wie man die Hülle vertraglicher Absprachen benennt, ob AGB oder Programmbedingung. Entscheidend ist, dass diese Absprachen wirksamer Vertragsbestandteil zwischen den Parteien werden. Sind die Programmbedingungen vom Merchant vorformuliert, sind diese auch immer automatisch als Allgemeine Geschäftsbedingungen des Merchant zu qualifizieren und entfalten eine neben den AGB des Netzwerkes gleichwertige Bindungswirkung. Sie unterliegen dann aber auch einer gewissen Inhaltskontrolle durch Gerichte, so dass ein Merchant seine Affiliates auch nicht grenzenlos knebeln kann, sondern jede Regelung sich am Vertragszweck und der Vergütung messen lassen muss. Juristen nennen das Äquivalenzprinzip, also Leistung und Gegenleistung müssen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Egal ob die vereinbarten Regelungen nun „AGB“, „Programmbeschreibung“ oder „Pflichtenheft“ genannt werden, wir sprechen immer über ein und dasselbe.
Ob ein Streit dann vor Gericht landet, entscheidet sich nicht an der äußeren Form dieser Bedingungen, sondern an deren inhaltlicher Qualität. Ausschlaggebend ist, dass die betreffenden Rechtstexte präzise wie ein Messer die Rechte und Pflichten der Partner festlegen. Was sind die Kampagnenziele, nach welchen Zahlen wird abgerechnet, welches Abrechnungsmodell wird zu Grunde gelegt und was sind die Konsequenzen, wenn etwas schief läuft. Leider sind die Regelungen zur Konfliktlösung bei vielen Netzwerken und Merchants dürftig, starr und unangemessen, weil man hier am falschen Ende gespart hat und sich ein paar Texte zusammenkopiert hat, in der Hoffnung, dass irgendetwas Brauchbares dabei ist.
Wer wirklich sicher gehen will, und das sollte man bei Budgets im fünfstelligen Bereich auch tun, der sollte qualitativ hochwertige und auf die eigenen Bedürfnisse des Merchants angepasste Regelungen formulieren, individuell mit den Affiliates vereinbaren und diesen Vertragsschluss auch sauber dokumentieren. In der überwiegenden Zahl der Fälle scheitern Ansprüche bereits am fehlenden Nachweis der Einbeziehung von Programmbedingungen und AGB. Dass man – bewaffnet nur mit einer Excel-Tabelle, kryptischen E-Mails und einem (illegalen) Telefonmitschnitt – in streitigen Verhandlungen, und erst Recht vor Gericht, keinen Erfolg haben wird, sollte man dann bitte nicht den Rechtsanwälten und Gerichten in die Schuhe schieben. Planung, Kontrolle und Dokumentation helfen, Prozesse jeder Art zu gewinnen. Wer darauf verzichtet, sollte sich später nicht beklagen, wenn seine Erwartungen an ein Projekt nicht erfüllt werden.
Je genauer die gewünschten und zu erbringenden Leistungen sowie die verbotenen und strikt zu unterlassenden Handlungen ausdifferenziert sind, desto weniger müssen sich Rechtsanwälte und Gerichte mit den Rechten und Pflichten im Affiliate-Netzwerk „rumschlagen“, da die klaren Formulierungen Zweifel über die Reichweite von Verboten oder Geboten gar nicht erst entstehen lassen.
Die Studie spricht an verschiedenen Stellen von der sogenannten Mitstörerhaftung: Demnach haftet der Partnerprogrammbetreiber für unerlaubte Tätigkeiten seiner Affiliates. Kann die Mitstörerhaftung durch AGB ausgeschlossen werden? Und ist sie überhaupt eine Gefahr, wenn etwaige Verstöße in den AGB des Netzwerks, in der Programmbeschreibung oder durch geltendes Recht verboten sind?
[Peter Hense] „Mitstörerhaftung“ ist leider bereits ein inflationär genutzter Begriff, der in der Konstellation Affiliate-Netzwerk – Merchant – Affiliate unseres Erachtens deplatziert ist. Die Haftung, die sich im Grunde hinter diesem Begriff verbirgt, ist weder Mitstörer-, noch Störerhaftung, sondern eine Haftung des Auftraggebers für seine Beauftragten im Geschäftsverkehr. Sollte der Affiliate in Bezug auf das Affiliate-Programm somit Rechte Dritter zum Beispiel durch Verstöße gegen das Markenrecht oder Urheberrecht oder wettbewerbswidrig verletzen, muss der Merchant als Auftraggeber für die unzulässigen Handlungen des Affiliates als seinen Beauftragten rechtlich einstehen.
Diese Haftung des Merchants ergibt sich bereits aus dem Gesetz (§ 8 Abs. 2 UWG, § 14 Abs. 7, 15, Abs. 6 MarkenG, § 99 UrhG). Ob der Auftraggeber (Merchant) das Handeln seines Beauftragten (Affiliate) kennt oder nicht, spielt keine Rolle – die Beauftragtenhaftung kennt da keine Gnade. Aus diesem Grund haften auch Händler für die rechtswidrigen Handlungen von Shopping- und Preisvergleichsportalen, bei denen sie sich listen lassen. Das ist vielen oft nicht bewusst und die Portale tun nichts, um über diese Haftung aufzuklären – warum sollten sie auch, sie würde ihnen im Regresswege auf die Füße fallen.
Vertragliche Klauseln und AGB-Regelungen können diese strenge Haftung nicht ausschließen, sondern allein die wirtschaftlichen Folgen dieser Haftung über sogenannte „Freistellungsklauseln“ einfangen. Im Außenverhältnis haftet der Auftraggeber dann voll für seine Beauftragten. Im Innenverhältnis kann er einen eventuellen Schaden, sofern er in Geld messbar ist, bei diesen Beauftragten wiederholen. Klauseln, die den Merchant von berechtigten Ansprüchen Dritter freistellen oder ihm ermöglichen sollen, im Falle von unerlaubten Handlungen des Affiliates bei diesem Regress zu nehmen, sind aber in der Realität nur so viel wert, wie der Affiliate selbst. Wenig nützt dem Merchant eine solche Klausel, wenn ein ihm entstandener Schaden beim zahlungsunfähigen oder im unbekannten nichteuropäischen Ausland ansässigen Affiliate zu kompensieren ist.
Die einzige realistische Absicherung für einen solchen Fall ist dann fern von AGB-Klauseln und Co zu finden: Der Merchant kann das Haftungsrisiko durch den Abschluss entsprechender Versicherungen eingrenzen, finanzielle Rücklagen für den „Ernstfall“ bilden oder vom Affiliate ein „Risiko-Deposit“ fordern, das sich z.B. auch aus Provisionen speist. Vergleichbare Regelungen kennt man aus dem Baugewerbe, wenn es um Fertigstellungs- und Gewährleistungsbürgschaften geht. Auch kann der Merchant eine solche Versicherung vom Affiliate fordern und sich die Versicherungsansprüche abtreten lassen, um im Haftungsfall nicht mit leeren Händen dazu stehen. Je nach Risikofreudigkeit und Verhandlungsposition sind das alles Modelle, die bereits praktiziert werden.
In einem gut gepflegten Partnerprogramm sind Betrugsversuche sehr schnell zu erkennen. Als Maßnahme kann der Partner jederzeit aus dem Programm ausgeschlossen werden und die Provisionen storniert werden. Hier entsteht also im Regelfall kein signifikanter finanzieller Schaden. Helfen AGB hier weiter?
[Katja Rengers] Es gibt ein altes Sprichwort: „Entweder man vertraut einander, dann braucht man keine Verträge. Oder man vertraut sich nicht, dann hilft auch der beste Vertrag nichts.“ Das ist natürlich eine zugespitzte Formulierung, die aber einen wahren Kern enthält: Trau, schau, wem.
Gute Verträge – nichts anderes sind dokumentiert einbezogene AGB – schaffen sehr wohl Sicherheit, vor allem bei langfristigen Geschäftsbeziehungen und hoher personeller Fluktuation. Eine allumfassende Rechtssicherheit vermögen AGB aber nicht zu geben, vielmehr helfen im Ernstfall eher die angesprochenen finanziellen Absicherungen über eine Versicherung bzw. ein Deposit weiter.
Gerade vor dem Hintergrund, dass viele Affiliates aus dem Ausland heraus Teil eines Partnerprogramms sind und meist nahezu unerkannt und unbemerkt Werbemittel auf unterschiedlichsten (erlaubten und verbotenen) Wegen im Internet streuen, sind betrügerische Methoden zur Provisionsgenerierung bedauerlicherweise Gang und Gebe. Absoluten Schutz werden Merchants hier weder über die gesetzlichen Regelungen noch über die vertraglichen Absprachen allein finden können. Eher kommt es auf eine kluge Kombination beider Aspekte an. Für uns Anwälte bedeutet das: Nur wenn man alle wirtschaftlichen Zusammenhänge versteht und eben auch im allgemeinen Wirtschaftsrecht, Kreditsicherungsrecht und Versicherungsrecht Erfahrungen gesammelt hat, kann man hier tatsächlich eine rechtliche Beratung leisten, einen echten Mehrwert bietet und Risiken minimieren.
Zutreffend ist, dass bereits eingetretene finanziellen Schäden durch einen Ausschluss des Affiliates aus dem Affiliate-Netzwerk bzw. durch Provisionsstornierungen minimiert werden können. Doch die Stornierung von Provisionszahlungen kann allerdings dort problematisch werden, wo der Verstoß erst einige Zeit später nach bereits erfolgter Provisionszahlung entdeckt wurde. Hier können die Provisionszahlungen aus rein praktischen und bankrechtlichen Gründen nicht mehr zurückgefordert werden. Der Ausschluss des Affiliates aus dem Partner-Netzwerk allein stellt dann meist nur eine unbefriedigende Lösung und Ahndung des rechtswidrigen Verhaltens des Affiliates dar. Ähnlich dürfte es sich verhalten, wenn der Merchant den Missbrauch des eigenen Markennamens durch den Affiliate erst nach der Provisionszahlung feststellt oder durch unbeteiligte Dritte wegen rechtswidrigem Verhalten des Affiliate im Rahmen des Partnerprogramms in Haftung genommen wird. Die Verjährung wegen Markenrechtsverletzungen läuft mindestens drei Jahre. Bis dahin ist der Affiliate mit seiner Provision über alle Berge verschwunden.
Ein weiteres Problem ist, dass im Zweifel die einzelnen provisionsauslösenden Handlungen des Affiliates nicht mehr sauber rekonstruiert werden können oder rechtmäßige und unrechtmäßige Handlungen nicht mehr getrennt werden können, so dass eine risikofreie Provisionsstornierung nicht in Betracht kommt. Über vertragliche Regelungen kann man hier etwas an der Beweislast ändern, aber auch hier sind Rechtsanwälte durch die gerichtliche Inhaltskontrolle von AGB/Programmbeschreibungen daran gehindert, völlig einseitige Regelungen zugunsten des Merchants zu treffen.
Wie wir persönlich erfahren haben, kann ein Merchant bei der Verfolgung von domaingrabbenden Affiliates und Klickbetrügern aber auch gelegentlich auf die Unterstützung von Schwerpunktstaatsanwaltschaften bauen und auf das Strafrecht zurückgreifen, um den Sachverhalt zu ermitteln und seine zivilrechtlichen Ansprüche durchzusetzen.
Welche Möglichkeiten durchsetzbar sind und wirtschaftlich Sinn ergeben, hängt jedoch stark vom Einzelfall ab. Und wenn AGB und Programmbeschreibungen keinen Anhaltspunkt bieten, dann hilft die kompetente Beratung durch Experten manchmal ein Stück weiter.
Vielen Dank für die vielen Informationen und interessanten Aspekte hinter diesem Thema!
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[…] „Was sind die Kampagnenziele, nach welchen Zahlen wird abgerechnet, welches Abrechnungsmodell wird zu Grunde gelegt und was sind die Konsequenzen, wenn etwas schiefläuft.“ (Peter Hense) (https://www.projecter.de/blog/affiliate-marketing/studie-interview-agb-fuer-partnerprogramme.html) […]