Die Wirtschaft nach der Krise – TRAVEL
“This is not a good-bye, it’s just a see you soon.” – Dieser Satz stand unter einem Instagram-Post, der mich mit ernüchternder Schwere auf den Boden der wirtschaftlichen Tatsachen zurückholte. Das Foto zeigte meine Freunde Luis und Karina, wie sie Schulter an Schulter auf einen großen Umzugs-LKW starrten. Der Inhalt: Das Café Hostel, einst ein kleines magisches Backpacker-Hostel in Sao Paulo, das über die Jahre tausenden Reisenden als temporäres Zuhause gedient hatte – auch mir.
Es sind solche persönlichen Geschichten, die einem zeigen, wie gravierend die Coronakrise aktuell Existenzen überrollt. Und es ist gerade die Tourismusbranche, an der persönliche Schicksale sowohl vor als auch hinter dem Tresen hängen: Letztes Jahr zog es noch 1,4 Milliarden Menschen in die weite Welt, die global 1,45 Trillionen Dollar (also 1.451.000.000.000 $) in die Kassen großer und kleiner Unternehmen spülten. In manchen Ländern kommt die Tourismusbranche für über ein Fünftel des Bruttoinlandsproduktes auf. Jetzt stehen global ca. 100 Millionen Jobs auf dem Spiel.
Was bedeutet die Pandemie für eine Branche, die von offenen Grenzen, Neugier auf Fremdes und regem sozialen Austausch lebt? Im Kapitel “TRAVEL” versetzen wir uns in Tourismus-UnternehmerInnen, skizzieren die aktuelle Problematik und zeigen am Ende Lösungen für das Dilemma auf.
Brauchen wir in Zukunft Business Trips?
Let me state the obvious: Seit Corona und Zoom gibt es unter den meisten Büroangestellten keine Zweifel mehr, dass Teams und ganze Unternehmen sich auch gut organisieren lassen, wenn sie nicht zusammen in einem Raum sitzen. Warum also überhaupt noch Dienstreisen unternehmen?
Diese Entwicklung trifft die Branche hart, Geschäftsreisen machen schließlich einen Löwenanteil der Umsätze von Airlines aus (ca. 55% -65%) und sind auch bei Hotels und Dienstleistern vorn mit dabei. Im Zeitraum von März bis Juli hat die Business Travel Branche global ca. 517 Milliarden Dollar verloren.
Auch in den kommenden Jahren werden Geschäftsreisen nicht wieder auf Normalniveau steigen. So führte die Boston Consulting Group eine Befragung unter 300 Global Playern durch, laut der 66% auch nach der Krise ihre Reise-Richtlinien gründlich überdenken wollen.
Insgesamt ist mit einem jahrelangen Abschwung des Business Trip Marktes zu rechnen. Zwar sagen Experten auch voraus, dass die Branche auch über die Umsätze von 2019 hinaus wachsen kann – Aber dieser Marker ist noch mindestens drei bis vier Jahre entfernt. Zum einen wegen der veränderten Meetingkultur, zum anderen weil es einfach weniger Reisende geben wird – fünf bis zehn Prozent der in Frage kommenden Unternehmen werden schlicht nach der Wirtschaftskrise nicht mehr existieren.
Die Zukunft der Urlaubsreisen: allein, draußen, individuell.
Reisen ist ein globaler Megatrend. Selbst eine Pandemie wird die unbändige Neugier und den Drang nach Freiheit einer ganzen Generation nicht stoppen können. Aber wer wird reisen können – Und wie?
Es zeichnet sich ab, dass Urlaubsreisen wieder zum Luxusgut werden. Zu viele Mittel- und Geringverdiener hat die Pandemie in Kurzarbeit geschickt, arbeitslos gemacht oder in finanzelle Schwierigkeiten manövriert. Daneben werden auch viele private Anbieter aus dem Markt gedrängt, was zu einer weiteren Konsolidierung führen kann. Die wohl bekannteste Plattform für private Unterkünfte, AirBnb, steckt mitten in ihrer größten Krise und tausende Kleinanbieter stehen vor dem finanziellen Ruin. Eine Vermieterin, die einen fünfstelligen Kredit für ihr AirBnb-Nebeneinkommen investiert hat, sagte kürzlich dem Wall Street Journal: “Ich habe einen Pakt mit dem Teufel geschlossen.”
Wer diesen Sturm überlebt, muss sein Business neu überdenken. Einen Vorteil haben hier definitiv Anbieter in ländlichen Regionen. Corona beschleunigt die Stadtflucht und gerade jetzt ist das Sehnsuchtsbild vieler Urlauber nochmal viel deutlicher in Richtung endlose Weite geschwenkt, sei es nun in Polen oder Patagonien. Es ist ein großartiger Moment für den Rucksack- und Abenteuertourismus.
Große Zusammenkünfte haben ein gewisses Geschmäckle und spätestens seit den Corona-Partys am Ballermann ist ein Urlaub am überfüllten Hotelpool für viele kaum mehr vorstellbar. Der Drang, allein zu sein, reiht sich perfekt in zwei weitere Megatrends ein: Individualisierung und Naturverbundenheit.
Wo diese Reisen stattfinden werden, ist in Zukunft zwar wieder offen, doch für die kommenden Jahre sollten sich Reiseveranstalter auf Besucher aus dem (mehr oder weniger) lokalen Umfeld gefasst machen, z.B. innerhalb der EU. Gerade die Deutschen entdecken ihr Land gerade massiv wieder, betonte der Economist: “Germans learn to love the staycation.”
Interlude: Deine Hilfe für Corona & danach.
Seien wir ehrlich: 2020 hätte anders laufen sollen. Im Januar hattest du noch Pläne, eine Vision. Vielleicht wollte dein Unternehmen richtig durchstarten. Und jetzt?
Egal wie schlimm die Lage ist: Stehen bleiben ist keine Option. Jede Krise bietet ungeahnte Chancen und es gab noch nie eine bessere Zeit, dein Business fit für die Onlinewelt zu machen. Unser Consulting-Team kann dich mit individuellen Digitalstrategien unterstützen. Willst du mehr erfahren? Dann schreib mir eine Mail: max@projecter.de
Fazit: Tipps für die Reisebranche
Die Art, wie wir reisen, wird sich in Zukunft verändern. Die Tourismusbranche muss darauf gefasst sein, ihre Wertschöpfung neu zu überdenken. Zum Beispiel werden laut McKinsey die meisten Hotels, zumindest in den USA, bis 2023 nicht voll belegt sein, und selbst dann ca. 20% weniger pro Zimmer verdienen.
Es müssen neue Konzepte her. Sinnvoll wäre ein noch stärkerer Fokus auf Dienstleistungen, wie der Vermittlung flexibel kombinierter Individual-Erlebnisse anstelle von konventionellen Pauschal-Reisen. Hier ist unter anderem das Heidelberger Start-Up “Backpacker Trail” einen Blick wert: Kunden erhalten auf dem Portal eine maßgeschneiderte Backpacking-Reise inklusive Flügen, Übernachtungen und Aktivitäten. User können sowohl das Ziel ihrer Reise als auch den Vibe auswählen, sei es “exotisch”, “Abenteuer” oder “Natur”.
Denkbar sind auch Audioguides oder interaktive Erlebnisse draußen. Man kann sogar noch einen Schritt weiter gehen und Touren komplett virtuell anbieten. Gerade Städte und Tourismusregionen sollten hier Anbieter unterstützen oder selbst entsprechenden Content produzieren. So sind Reisen nach Israel heute schon problemlos von der heimischen Couch möglich.
Wie überall sonst wird auch im Tourismus Hygiene eine übergeordnete Rolle spielen, sowohl in Zimmern als auch in Gemeinschaftsräumen wie Küchen oder Lounges. Das zeigt eine Studie von McKinsey deutlich: Die Befragten legen in Zukunft noch größeren Wert auf Sicherheit.
Fest steht: Wer nach der Pandemie Bestand haben will, muss sich an die neuen Gegebenheiten anpassen. Das gilt auch für die Verkehrsbranche, der wir im letzten Kapitel “IV: TRANSPORT” auf den Grund gehen werden.
Klasse Beitrag. Bitte mehr dieser Art!
Gerne, Miriam! Bald kommt Teil 4 raus – Freu mich auf dein Feedback! 🙂