Als Trainee auf der OMKB 2019 – Online-Marketing auf Ostwestfälisch
Geballtes Onliner-Wissen – das versprach ich mir von meiner Reise zur 4. OMKB nach Bielefeld. Gerade zum Start meines Traineeships hielt ich den Besuch für eine super Idee. Auf dieser generisch angelegten Online-Marketing Konferenz gab es einen breiten Überblick über die aktuellen Do’s & Dont’s der Branche. Deshalb folgt hier mein Recap:
Das Konzept
Die OMKB wird von Quality Traffic organisiert und ist eher auf Breite als auf Tiefe angelegt. Die Speaker sind in vier Slots eingeteilt, sodass man sich mit acht bis neun Themen à 30 bis 45 Minuten beschäftigen konnte. Dieses Jahr wurden neben obligatorischen Bereichen wie SEO, Facebook Ads und generellen Online-Strategien unter anderem auch Amazon, die DSGVO oder Videomarketing als aktuell relevante Themen aufgegriffen. Die OMKB ist daher auch besonders für Unternehmen interessant, die sich allgemeine Inspiration für ihr Online-Marketing-Portfolio holen wollen. Aber auch als Trainee bot die Themenvielfalt eine gute Übersicht.
Die Highlights
Konträre Thesen zum Online-Marketing
Auftritt Philipp Klöckner: Mit seinen zwölf Thesen gegen die Schwarmintelligenz weckte er die Teilnehmenden während der Keynote auf. Die interessantesten:
- SEO = Content + Popularity + Tech + User Experience: SEO entwickelt sich aufgrund des Machine Learnings immer mehr in Richtung der Optimierung der User Experience. Google versteht die Nutzer durch ihre Signale immer besser, sodass die anderen Rankingfaktoren zu reinen Hygienefaktoren werden.
- Das Einführen eines allgemeinen Grundeinkommens führt zu keiner Reichtumsverschiebung. Das Grundeinkommen stärkt zwar die Kaufkraft und diese wird bspw. zu Amazon getragen. Aber eine wahre Umverteilung würde nur dann stattfinden, wenn Amazon dann tatsächlich den Umsatzzuwachs in Steuern übersetzen würde. Was nicht (von selbst) passieren wird.
- Mobile first, aber nicht im B2B, in der Ausbildung oder der Verwaltung. Der Desktop wird hier nicht aussterben.
- „Algorithms are killing diversity and the long tail“ – das Web 2.0 ermöglicht es nicht, Neues zu entdecken, sondern vielmehr Massen zu folgen. Die Personalisierung erfolgt nämlich basiert auf ähnlichen Nutzern – Gemeinsamkeiten werden herausgestellt, Unterschiede vernachlässigt.
- Der Common Sense funktioniert im Web nicht mehr. Algorithmen polarisieren und emotionalisieren, da sie Interaktionen bewerten. Die schweigende Masse des Common Sense geht so verloren.
Psychologische Kniffe für die Anzeigenschaltung
Facebook und Instagram Ads mit psychologischen Überlegungen boosten – das versprach Patrick Kriebel in seinem Vortrag. Aber auch für das Anlegen von bspw. attraktiveren Google Ads bieten sich die Denkanstöße an. Hier die Kernaussagen:
- Die Reihenfolge der Wahrnehmung einer Ad (auf Facebook): 1. Bild, 2. Titel, 3. Text. Das Bild fängt die Aufmerksamkeit, der Titel weckt das Interesse, der Text veranlasst den User schließlich zum Klicken – oder auch nicht.
- Pattern Interrupt: Einfach mal anders sein. Beispiel: Eine Video Ad mit einem kopfstehenden Menschen beginnen. Der Blick wird hängen bleiben, die Aufmerksamkeit ist gewonnen.
- Die 8-Sekunden-Regel: Mehr als acht Sekunden Aufmerksamkeit bekommt man von den Menschen nicht. Danach muss die Ad selbst überzeugen oder bspw. Landingpages klar strukturiert sein. Der User muss direkt wissen, was er zu tun hat.
- Sofortbefriedigung: Menschen wollen nicht warten. Interessenten sollten animiert werden, sofort kaufen zu wollen (Umgehend! Jetzt! Sofort!).
- Auffälligkeit: Rücke das Wesentliche in den Fokus. Beispiel: Ein Button auf der Landingpage soll geklickt werden? Hebe ihn durch Komplementärfarben hervor.
- Verarbeitungsflüssigkeit: Entlaste das Gehirn der Nutzer, denn weniger ist mehr. Stelle also das Wesentliche in den Mittelpunkt und lass es nicht in zu vielen Informationen untergehen.
- Lähmung überwinden, Verlustaversion oder Lockvogel-Angebote: Verhindere, dass sich der Nutzer vor der Conversion gelähmt fühlt. Kleine Gimmicks wie einen Probemonat oder 4 Wochen Kündigungsrecht ohne Angabe von Gründen senken die Conversion-Schwelle. Nur wenige Nutzer werden tatsächlich auch davon Gebrauch machen – wer Netflix einmal abonniert hat, der will es nicht mehr gehen lassen.
- Gegenseitigkeit: Wer gibt, der bekommt auch zurück. Freebies wie Checklisten, E-Books etc. bilden Loyalität beim Nutzer aus.
- Das Baader-Meinhof-Phänomen: Sei überall. Am besten durch Retargeting. So entsteht der Eindruck, dass dein Unternehmen eine Marke ist – weil es ja scheinbar überall ist.
- Gesichtserkennung: Ein Lächeln abgebildeter Personen erhöht die Conversionswahrscheinlichkeit.
- Verkaufsfördernde Wörter: Psychologie wirkt auch auf semantischer Ebene. Wörter, die die Kauffreude anregen sind bspw.: einfach/simpel/leicht, Geschenk, Sonderangebot, garantiert, gratis, Ihr Vorteil ist…, sei einer der Ersten/exklusiv/limitiert, usw.
SEO und der digitale Markenaufbau
Nach der Mittagspause holte René Dhemant die Teilnehmenden wieder aus dem Mittagstief. Seine These: SEO ist digitaler Markenaufbau, denn Menschen lieben gute Geschichten. Viele Aussagen Dhemants machten – basierend auf Marketing-Grundlagen aus dem Studium – einfach Sinn. Marken kreieren Vertrauen, schaffen eine emotionale Bindung und geben Orientierung auf immer gesättigteren Märkten. Auch in den übersättigten Online-Angeboten können Marken diese Funktionen erfüllen.
Doch nicht nur das Marketing 1×1 legt Unternehmen nahe, in ihre Marke zu investieren, auch die technische Seite der Suchmaschinenoptimierung spricht dafür. Denn Google hat dieses Potenzial bereits vor längerer Zeit erkannt: Seit dem Google Vince-Update wird eine starke Brand auch von der Suchmaschine durch höhere Platzierungen belohnt. Und seit dem Panda-Update fungiert die Nennung einer markanten Marke auf anderen Websites als Implied Link – der Markenname muss also gar nicht mehr extern verlinkt werden, um als Referenz für das eigene Ranking herangezogen zu werden. Nutzerseitig ist Brand Trust der überwiegende Grund für einen Klick auf ein Suchergebnis – egal, auf welcher Position die Marke landet. Kommt man außerdem mit seiner Marke ins Relevant Set, hat man es geschafft. Das bedeutet, dass Suchkombinationen mit dem Markennamen Google gezeigt haben, dass eine Produktgruppe (bspw. Rucksäcke) besonders mit einer Marke assoziiert werden und so in den Suchvorschlägen erscheinen (bspw. Globetrotter Rucksäcke).
Was muss ein Unternehmen dafür tun? Die „einfache“ Frage beantworten: Warum gibt es uns? Durch das Festlegen einer Vision, einer Mission und den dazugehörigen Werten kann in Form eines Manifests festgehalten werden, woran sich jede Kommunikation orientieren soll. Dabei ist es natürlich wichtig, alle Mitarbeiter mit dieser Botschaft zu erreichen und mitzunehmen, damit operativ tatsächlich die Strategie umgesetzt werden kann.
Um Online mit diesem Manifest durchstarten zu können, empfiehlt Dhemant zunächst den Einsatz von Ads, um den Markennamen bekannt zu machen und Relevanz zu schaffen. Langfristig sollte jedoch vor allem Content Marketing zum Branding verwendet werden. Das SEO 1×1 muss natürlich weiter umgesetzt werden, doch durch den Aufbau der Marke und das klare Herausstellen der USP ist Sichtbarkeit algorithmisch zu erwarten.
Die perfekte Landingpage
Jörg Dennis Krüger von ConversionBoosting führte die Zuhörer ein in die Kunst, die perfekte Landingpage zu bauen. Die wichtigsten Do’s & Dont’s:
- Langweilig und inhaltsarm: Landingpages sollten den User schnellstmöglich zum Ziel führen, sie sollten schnell genau wissen, was sie zu tun haben. Durch eine eindeutige Nutzerführung verbessert sich gleichzeitig auch das Ranking.
- Sich des Ziels der Landingpage bewusst werden: Was soll der Nutzer überhaupt tun? Will ich einen Lead oder einen Sale generieren? Nur auf die geplante Conversion sollten die (sparsamen) Texte auf der Landingpage ausgerichtet sein.
- Den Nutzer abholen: Durch die Überschrift wird ein User aufgefangen, sie sollte daher verständlich und hoch relevant formuliert sein.
- Ablenkungen vermeiden: Informationen müssen geboten werden, aber nur genau so viel, wie der User tatsächlich benötigt, damit der nächste Schritt gegangen wird. Eine Conversion sollte der (einzige) natürliche nächste Schritt auf der Landingpage sein. Das bedeutet zum Beispiel: Wenn ein Paragraph zur Erklärung nicht ausreicht, bedeutet das nicht, dass ein zweiter Paragraph notwendig wird. Der erste Paragraph ist nur noch nicht gut genug.
- Klarheit und Relevanz entscheiden darüber, ob die Value Proposition rübergebracht werden kann.
- Richtig messen: Nicht die Verweildauer ist entscheidend, Pages per Session geben einen besseren Eindruck, ob die Landingpage Erfolg hat. Denn je besser die Landingpage, desto kürzer die Verweildauer und desto eher wird weiter geklickt.
- Landingpage-Templates erstellen: Für jeden Zweck kann so ganz leicht der Text angepasst und eine andere Conversion damit vorbereitet werden. Oder man kann die Landingpage genau auf den Herkunftslink abstimmen und so den Nutzer individueller führen.
Weitere Erkenntnisse:
Björn Tantau zur Facebook Reichweite: Facebook ist nicht tot, aber man muss sich die Reichweite aktiv suchen. Tipps waren hier:
- Facebook Gruppen sind die neuen Facebook Seiten, wobei man einen klaren Themenfokus wählen und seine Community pflegen sollte. Kleine Werbebotschaften sind hier auch ok.
- Messenger Marketing sollte als Ergänzung verwendet werden, da hier die Open Rate bei 90% liegt (vs. 23% bei Emails).
- Snack Content in Form von Stories wird weiterhin massiv zunehmen, wobei man hier auf die Schnelligkeit und Einzigartigkeit der Inhalte achten sollte.
- Instagram nutzen – aber nur, wenn man tatsächlich hochwertigen Content bieten kann.
- Facebook Ads müssen die fehlende organische Reichweite ersetzen.
Hendrik Unger zu Videomarketing:
- Entscheidend bei Online Videos ist, dass sie schnell auf den Punkt kommen. Dabei sind reine Produktbeschreibungen unsexy. Hauptsache, man vermittelt den Nutzen der Produkte – bspw. durch Anwendungsbeispiele.
- Keine Intros! Man sollte mit interessante Schlagzeilen nutzen, die ins Thema einführen. Und auch zu lange Inhalte vermeiden, dann klickt sich der User raus zum nächsten Katzenvideo.
- „Das Internet wird zum Kinderbuch“: Fette Schrift, viele Bilder, bunte Farben sind auch von Erwachsenen gewünscht. Sie wollen Inhalte schnell konsumieren.
- Auch YouTube liebt Keywords: YouTube erkennt Keywords aus der Off-Stimme, in Titel, Beschreibung, Einblendungen, Kommentaren, Untertiteln, Tags und der Benennung der Raw-Datei. Eine Keywordanalyse hilft also auch vor Konzeption eines Videos. Diese sollten dann in der Tonspur und in einer Endcap Grafik genutzt werden.
- Aus allen Kanonen feuern, sobald ein neues Video da ist, um Relevanz bei YouTube zu erzeugen.
Das Drumherum
8:30 – ganz schön früh für eine Keynote. Mit dem Einlassstart um 8:00 wären vor allem die Locals hier klar im Vorteil gewesen… wäre da nicht ein Unfall mit einem Gefahrguttransport auf der A2. Viele Teilnehmer tröpfelten also erst während bzw. nach der Keynote herein. Dennoch waren die Vorträge über den Tag hinweg gut gefüllt. Während der Vorträge malten Künstler mit und erstellten live Infografiken über das Gesagte. Die gesammelten Key-Learnings jedes Vortrags konnten so noch einmal nachverfolgt werden, auch wenn man selbst nicht im Publikum saß.
Zwei Dinge fielen mir über den Tag hinweg jedoch auf. Erstens: Es fehlten die Frauen. Projecter hat einen ziemlich hohen Frauenanteil. Frauen mit Ahnung vom Online Marketing, die dieses Wissen auch außerhalb der Agentur präsentieren, wären meiner Erwartung nach also Alltag. Die Frauenquote auf der OMKB beeindruckt allerdings wenig: drei Frauen unter 30 Speakern, das ginge doch mit Sicherheit besser.
Und zweitens: Der nüchterne Ostwestfale neigt selten zu frenetischen Gefühlsäußerungen – ein Klatschen von mehr als fünf Sekunden wird selten gewährt, Lacher müssen sich sehr hart erarbeitet werden und auch ein Schmunzeln erreicht man erst nach einer Aufwärmphase. Relativ schwieriges Publikum also für die Speaker. Aber nach meiner Zeit an der Uni war zumindest ich (selbst Ostwestfälin) sehr dankbar für die häufig agile Vortragsweise – und habe dann auch mal in die Stille hinein geschmunzelt.
Die Key-Learnings
Nach der OMKB bleibt bei mir vor allem Folgendes hängen:
- „Normales“ Marketing-Wissen darf auch bei Online Marketern nicht nach den Uni-Vorlesungen wieder in der Schublade verschwinden. Das technische Know-how wird mittlerweile einfach vorausgesetzt. Richtige Online Marketing Geeks können jetzt Online UND Marketing. Von Markenaufbau und -führung bis hin zur psychologisch konformen Formulierung der Anzeigentexte: Online müssen Unternehmen ihre Strategie genauso durchdenken, wie sie es offline tun – wenn nicht noch besser, um auch dem Algorithmus zu gefallen.
- Ziele, Ziele, Ziele. Das Mantra für Online Marketer. Ohne Ziele macht nämlich strategisches Nachdenken über Online Marketing keinen Sinn. In fast jedem Vortrag wurde immer wieder betont, dass man sich erst über die Ziele (des Unternehmens, des Marketing, des Internetauftritts oder einfach nur einer speziellen Anzeige) bewusst werden muss, damit die Umsetzung gelingen kann. Eigentlich ziemlich grundlegend, möchte man meinen. Aber mit Sicherheit macht es sowohl vor als auch nach der Erstellung von Online Marketing Kampagnen immer Sinn, sich die Ziele noch einmal klar vor Augen zu führen – zur Entwicklung der richtigen Assets, zur internen Bewertung und später zum Controlling.
- Der User ist dumm. Bzw. faul. Und deshalb sollte man ihm in seiner knappen Zeit genau den Content liefern, den er zum Verständnis braucht und der ihn zur Conversion überzeugt. Ob in der Anzeige, in einem Video oder auf einer Landingpage, weniger ist mehr.
- Die User Experience ist nun unser aller Fokus. Wie bereits beschrieben: Das technische Drumherum muss stimmen. Natürlich. Aber wenn wir nur Häkchen hinter die technischen Maßnahmen setzen können, aber der Nutzer mit unserer Leistung am Ende nicht zufrieden ist, wird das auch der Algorithmus merken.
- Aus der User Experience abgeleitet: SEO und SEA wachsen immer mehr zusammen. Nur der kann in den Anzeigen ganz oben landen, der dem User eine gute Nutzererfahrung auf der Seite bietet. Denn das ultimative Ziel von Google (laut René Dhemant): dem User keine Auswahl mehr zeigen, sondern nur noch das eine Ergebnis, das wirklich relevant für ihn ist. Je gläserner also der Nutzer, desto mehr müssen Unternehmen versuchen, diesem zu gefallen – dem Algorithmus zuliebe.