rpTEN – zehn Jahre sowas wie eine Netzgemeinde
Was sagt man jetzt, nach dieser zehnten Ausgabe des Klassikers der Konferenzen über die digitale Gesellschaft? Die vergangene re:publica angemessen in Worte zu fassen fällt schwer, taten sich die drei Tage doch wieder einmal durch riesige Themenvielfalt hervor. An dieser Stelle soll nur eine kleine Einordnung stattfinden – und eine (sicherlich unvollständige) Auswahl der besten Talks in Videoform getroffen werden.
Seit 2014 findet parallel zur re:publica auch die Media Convention statt. In diesem Jahr wurde deutlich: Die Themen der MCB16 gehörten zu den relevantesten der Veranstaltung. Gut gefüllte Säle und ein überwältigender Andrang zu Panels wie „New Media, Old Money? Webvideo wird Mainstream“, „Influencer Marketing oder ‚Ich freue mich riesig, wenn ihr mich unterstützt…‘ Social Media Reichweite als vermarktbares Gut“ oder „Viral! Die Macht des Storytelling“ zeigten, dass gerade praxisrelevante Themen für viele Besucher im Vordergrund standen. Dabei wurde auch der Aspekt der Schleichwerbung diskutiert – für meinen Geschmack jedoch zu wenig.
Cornelia Holsten von der Bremischen Landesmedienanstalt: „Die Influencerbranche reguliert sich selbst“. Wirklich? #rpTEN
— Lina (@schlimes) 3. Mai 2016
Ein Highlight der MCB16 war natürlich auch das Panel mit Edward Snowden als Gast – „The fourth revolution“ beschäftigte sich mit der immer weiter aufweichenden Trennung zwischen online und offline, den Informationen, die dabei entstehen und verbreitet werden und – ganz wichtig – mit der Macht darüber.
Jetzt @Snowden bei der #rpTEN: “Wir müssen jetzt die Weichen stellen, in welcher Zukunft wir leben möchten“ pic.twitter.com/9QXUgPuz4W
— Richard Gutjahr (@gutjahr) 2. Mai 2016
Auf der re:publica selber ging es sehr politisch zu. Ein zentrales Thema war die Hate Speech-Problematik: „Gesellschaft – it’s broken, let’s fix it“ hieß es auf einem Panel und in einem bewegenden Talk namens „Organisierte Liebe“ plädierte Kübra Gümüşay für ein Gegengewicht zu den Negativstimmen in den Kommentarspalten.
Nach den Ermittlungen gegen netzpolitik.org wegen Landesverrats im vergangenen Sommer war der Talk “Fight for your digital rights!” von Markus Beckedahl eine Selbstverständlichkeit, ebenso wie die Diskussion zu den Panama Papers aus aktuellem Anlass.
Als eines der Highlights wurde auch die Pressekonferenz zu den TTIP-Leaks von Greenpeace gehandelt.
Und wer in der Stimmung für eine große Portion Pathos ist, der schaut sich auch noch die jährliche Rede (Titel in diesem Jahr „The Age of Trotzdem“) von Sascha Lobo mit der fragwürdigen Aufforderung zum kollektiven „TROTZDEM“-Rufen des Publikums an.
Ein Thema, an dem übrigens niemand vorbeikam, war Virtual Reality. Während in der Haupthalle zahlreiche Stände mit ihren VR-Brillen Besucher anlockten, gab es im Nebengebäude sogar eine eigene Ausstellung mit Spielen, Simulationen und einem Esstisch, zu dem die Brillen wie selbstverständlich gereicht wurden. Für Außenstehende sah das scheinbar richtungslose Herumstraucheln der VR-Brillen-Nutzer jedoch eher kurios als futuristisch aus.
Nach den drei Tagen stellt sich natürlich die Frage, was von der Netzgemeinde geblieben ist, die sich damals so nannte und diesen Namen mittlerweile immer weniger gern benutzt. Während das Digitale immer selbstverständlicher wird, zieht auch das Interesse an praktischen Businessthemen nach. Das zeigt alleine der überwältigende Andrang bei den Panels der Media Convention: Das Zauberwort für wegen Überfüllung geschlossene Säle der MCB16 war Snapchat.
Gleichzeitig findet eine Rückbesinnung auf das Wesentliche statt: Mit den re:health Panels wie dem zu einem radikal-achtsamen Leben im analogen und digitalen (Milena Glimbovski und Jan Lenarz) zeigt sich das Bedürfnis zur Reflexion des täglichen Umgangs mit Social Media und anderen flüchtigen Angeboten des Internets.
Man darf gespannt sein, was die nächsten Male re:publica so bringen werden. Und bis dahin wissen vielleicht auch alle, wie Snapchat funktioniert 😉