Pride Month: Wenn schon Social-Advertising-Kampagnen – dann so!
Der Juni ist bunt: Auf der ganzen Welt feiern Mitglieder der LGBTQIA+ Community und ihre Allies den Pride Month. Wie wir bereits beim Auftakt unserer Blogartikel-Reihe zum Thema festgestellt haben, nutzen bekanntermaßen auch Unternehmen und Marken diese Zeit gerne für sich und fahren mit umfangreichen Social-Media-Advertising-Kampagnen auf. Das sieht man auch in diesem Jahr wieder in allen Medien und Kanälen … oder vielleicht doch nicht?
Wenn wir ehrlich sind, hatten meine Kollegin Henriette und ich bei der Recherche für diesen Artikel ein paar Schwierigkeiten: Denn es scheint, als würden sich viele Unternehmen mit dem Pride-Advertising 2022 eher zurückhalten. Warum das vielleicht gar nicht so schlecht ist und welche Unternehmen uns trotzdem mit tollen Pride-Kampagnen aufgefallen sind, erfahrt ihr hier.
Lieber keine Kampagne als Rainbow-Washing
Viele Firmen standen in den vergangenen Jahren während des Pride Month in der Kritik. Ihnen wurde vorgeworfen, Rainbow-Washing zu betreiben. Das bedeutet, die Unternehmen haben während des Pride Month zwar ihr Logo in Regenbogenfarben eingefärbt und ihre Anzeigen auch dementsprechend gestaltet – sich aber nicht tiefer mit der queeren Community auseinandergesetzt. Und nach dem Juni war die Thematik rund um die LGBTQIA+ Community auch in der Regel ziemlich schnell wieder vergessen.
Noch einmal einige Infos zum Hintergrund: Den Anfang fand Pride, nachdem queere Personen in New York wieder einmal Polizeigewalt im Stonewall erfahren hatten. Vor allem BIPoC und Trans-Personen demonstrierten deswegen gegen die Polizeigewalt, generelle Homo- und Transphobie sowie -Queer-Feindlichkeit. Die Pride ist also sehr viel mehr als nur eine bunte Regenbogen-Party und hat für die Mitglieder der LGBTQIA+ Community eine sehr hohe und emotionale Bedeutung. Genau deshalb ist es auch im Marketing wichtig, sensibel mit dem Thema umzugehen. Hier kommen daher unsere Do’s and Dont’s für Kampagnen im Pride Month:
Do’s
- Es ist wichtig, Sichtbarkeit für queere Themen zu schaffen.
- Lasst Zugehörige der LGBTQIA+ Community sprechen.
- Der Pride Month sollte nicht kommerziell ausgenutzt werden – es ist also besser, die Einnahmen (mindestens zum Teil) an Organisationen zu spenden, die sich für die Rechte der queeren Community einsetzen.
- Auch vor und nach dem Pride Month sollte darauf geachtet werden, die LGBTQIA+ Community und ihre Themen sichtbar zu machen.
- Der beste Weg ist es außerdem, für eure Kommunikation direkt mit Personen aus dieser Community zusammenzuarbeiten – ob MitarbeiterInnen oder KooperationspartnerInnen.
Für euer Unternehmen ist es neben externen Advertising-Kampagnen außerdem wichtig, das Thema Diversität auch intern voranzutreiben: Wie wir uns bei Projecter damit auseinandersetzen und woran unsere Antidiskriminierungs- und Diversitäts-Taskforce arbeitet, lest ihr im ersten Beitrag unserer Blogartikel-Reihe, geschrieben von Nico.
Dont’s
- Ein ziemlicher Fail: einfach nur das Logo in Regenbogenfarben umzufärben.
- Wie bereits oben verdeutlicht, gehen Versuche, das Thema zu kommerzialisieren, oft nach hinten los, denn es hat für viele Menschen berechtigterweise eine hohe geschichtliche und emotionale Bedeutung.
- Der Pride Month ist nicht eingrenzbar: Unternehmen sollten ihn also nicht in einigen Ländern feiern, aber in anderen nicht, weil es da nicht gut ankommen könnte (We’re looking at you BMW).
Welche Beispiele uns in diesem Jahr positiv aufgefallen sind, zeigen wir euch in den folgenden Abschnitten. Ob noch Pride Month oder schon vorbei, hiervon könnt ihr euch inspirieren lassen! 🏳️🌈
Abschauen erlaubt – unsere Top 5 Beispiele
Kiehl’s
Die Kosmetikmarke Kiehl’s feiert schon seit über 20 Jahren den Pride Month. Dafür gibt es einen riesigen Bonuspunkt von uns! Kiehl’s spendet außerdem regelmäßig für gemeinnützige Organisationen, die sich für die Rechte und die Sichtbarkeit der LGBTQIA+ Community einsetzen, so auch in diesem Jahr. Die Bühne gehört dabei zum dritten Mal in Folge der Organisation The Trevor Project, die sich für Suizidprävention bei jungen Mitgliedern der LGBTQIA+ Community einsetzt.
Was wir an der Kampagne gut finden
Das Spotlight dieser Kampagne liegt nicht etwa auf den Produkten der Marke, sondern auf The Trevor Project. Der Kiehl’s Skincare-Experte Carlo Cruz erklärt z. B. in einem kurzen Video, was der Zweck der Organisation ist und wie das Projekt insbesondere jungen Menschen aus der LGBTQIA+ Community in schwierigen Situationen zur Seite steht. Besonders gut gefällt uns auch, dass direkt mitgeteilt wird, inwiefern Kiehl’s das Projekt in diesem Jahr unterstützen wird: nämlich mit einer Spende von mindestens $150.000. Ein weiterer Pluspunkt: Sowohl Carlo Cruz als auch die Künstlerin Sam Kirk, die die Kampagne illustriert hat, sind Teil der queeren Community.
Warum unser Social-Media-Advertising-Herz dabei höher schlägt
Die Illustration der Künstlerin Sam Kirk ist definitiv ein echter Blickfang. Die Darstellung der verschiedenen Charaktere und der vielfältige Einsatz der Pridefarben verdeutlichen ganz klar, worum es geht. Der Rest der Anzeige ist sehr schlicht gehalten und nicht mit Informationen überladen.
COS
Die Bekleidungsmarke COS feiert den Pride Month in diesem Jahr mit einer eigens dafür entworfenen Kollektion. Damit unterstützt das Unternehmen die Organisationen Kaleidoscope Trust, die sich für die Rechte von LGBTQIA+ Menschen in Ländern einsetzt, in denen sie diskriminiert oder verfolgt werden, und Choose Love, eine Hilfsorganisation für Geflüchtete.
Was wir an der Kampagne gut finden
Das Beste zuerst: COS spendet 100 Prozent der Einnahmen an die beiden oben genannten Organisationen. Alle Shirts sind unisex und die Designs stammen von Künsterlnnen aus der LGBTQIA+ Community. Die KünstlerInnen stehen zusammen mit weiteren queeren Models im Zentrum der Kampagne. Es geht darum, dass Liebe keine Grenzen kennt, aber dass insbesondere die LGBTQIA+ Community häufig mit schwierigen Situationen konfrontiert wird. Diese müssen weiterhin sichtbar gemacht werden. Auf einem der Shirts ist das emotionale Gedicht „And that’s okay“ von Kai-Isaiah Jamal (they/them) abgedruckt. Das Gedicht handelt von Erfahrungen aus der LGBTQIA+ Community, die sich schwer in Wort fassen lassen.
Warum unser Social-Media-Advertising-Herz dabei höher schlägt
Die Videoanzeige ist sehr schlicht gehalten und schafft es trotzdem, emotional zu sein. Das liegt besonders an den schnell wechselnden Bildern der KünsterInnen und Models. Die wichtigsten Informationen lassen sich der Ad sofort entnehmen: Die Designs stammen von Mitgliedern der LGBTQIA+ Community und das Motto lautet „Liebe ohne Grenzen“. In der Ad-Copy erfährt man zudem direkt, dass 100 Prozent der Einnahmen gespendet werden. So ist direkt klar, dass das Thema Pride hier nicht einfach nur kommerzialisiert wird.
Converse
Der Bekleidungs- und Sneakerhersteller Converse konzentriert sich in seiner diesjährigen Pride-Kampagne bewusst auf ein wichtiges Thema für die LGBTQIA+ Community: „Found Family“. Innerhalb der Anzeigen erzählen verschiedene queere Personen dabei ihre eigene Story zum Thema. Zusätzlich dazu gibt es eine spezielle Pride-Kollektion, für die ausschließlich queere Models werben. Dabei wird die inklusive Pride-Flagge anstelle der Regenbogen-Flagge verwendet, um zusätzlich zum Support der LGBTQIA+ Community die Unterstützung für BIPoC auszudrücken.
Converse ist hier keinesfalls ein Unternehmen, dass nur während des Pride Months die LGBTQIA+ Community unterstützt. Im Gegenteil: Das Unternehmen spendet regelmäßig an Organisationen wie It Gets Better Project, BAGLY, das Ali Forney Center und Out MetroWest.
Was wir an der Kampagne gut finden
Converse macht innerhalb seiner Kampagnen auf ein konkretes, für die Community wichtiges Thema aufmerksam, wobei der Fokus auf verschiedenen queeren Models liegt. Besonderes Augenmerk legt Converse dabei auf Individualität, denn viele Produkte der Pride-Kollektion sind zusätzlich personalisierbar.
Insbesondere durch die regelmäßige Unterstützung verschiedenster Organisationen, die sich für die LGBTQIA+ Community einsetzen, zeigt Converse, dass der Support für queere Personen zur Markenidentität gehört.
Warum unser Social-Media-Advertising-Herz dabei höher schlägt
Die Video Ad ist emotional und spricht die Zielgruppe ideal an. Die Kombination aus queeren Models, die gezeigt werden und ihre persönliche Story erzählen, sowie den passenden Produkten der Pride-Kollektion schafft einen direkten Bezug zueinander. Dabei werden die wichtigsten Informationen innerhalb kürzester Zeit vermittelt. Das Video ist dynamisch, aber gleichzeitig nicht zu hektisch aufgebaut.
Optimiert werden könnten die Anzeigen mit Untertiteln für Personen, die sich die Videos ohne Ton ansehen. Dies würde zudem auch noch einmal deutlicher die Worte des Sprechers in den Mittelpunkt der Ad stellen.
Calvin Klein
Ähnlich wie Converse legt auch Calvin Klein für ihre Pride-Month-Kampagne 2022 den Fokus auf das Thema „Chosen Family“. Innerhalb der Kampagne werben queere Personen, um Awareness für die Thematik zu schaffen. Dabei wird die Pride-Kollektion nachgelagert beworben. Calvin Klein konzentriert sich auf den Support der LGBTQIA+ Community. Dies macht das Unternehmen nicht nur im Pride Month, sondern das ganze Jahr über. Zusätzlich unterstützt es Organisationen wie The Trevor Project und ILGA World.
Was wir an der Kampagne gut finden
Das Unternehmen stellt ein wichtiges Thema der LGBTQIA+ Community in den Fokus der Kampagne: Viele queere Menschen werden von ihrer biologischen Familie ausgegrenzt und abgewiesen. Aus dieser Not heraus entsteht das natürliche Bedürfnis nach sozialem Rückhalt und Sicherheit. Daher suchen sich queere Menschen Personen, die sie akzeptieren, unterstützen und lieben: ihre „Chosen Family“.
Dabei geht es innerhalb der Ads insbesondere darum, Awareness für diese Thematik zu schaffen. Der Verkauf der Pride-Kollektion steht nicht im Fokus. Das beweist auch die entsprechende Landingpage der Kampagnen: www.calvinklein.de/pride. Hier stehen die Personen, ihre Geschichten und die Aufklärung zum Thema im Mittelpunkt. Konkrete Produkte werden erst am Ende der Landingpage gezeigt.
Warum unser Social-Media-Advertising-Herz dabei höher schlägt
Die Video Ad von Calvin Klein ist ideal auf die Marke abgestimmt. Es ist sofort und während der gesamten Ad ersichtlich, dass es sich hier um Calvin Klein handelt. Sie bringt das Thema sehr emotional innerhalb von 15 Sekunden an die Zielgruppe heran. Vor allem die Untertitel sorgen dafür, dass auch NutzerInnen ohne Ton die Inhalte der Ad vermittelt bekommen. Auch die Images stellen das Thema in den Fokus – die Produkte sind hier zweitrangig. Durch Farben, Logo sowie Look and Feel erkennt die Zielgruppe zudem direkt, um welche Marke es sich handelt.
Wünschenswert wären innerhalb der Ads noch mehr Diversität, insbesondere im Bezug auf unterschiedliche Körperformen.
Happy Socks
Auch das Unternehmen Happy Socks unterstützt mit seiner Pride-Kollektion die LGBTQIA+ Community. Durch Spenden an die Organisation InterPride, die internationale Vereinigung für OrganisatorInnen von Pride-Events, möchten sie Aufmerksamkeit schaffen und einen Teil dazu beitragen, die Interessen der Community zu verbreiten. Innerhalb der Kampagnen werden queere Models gezeigt, die über ihre Geschichte, ihren Bezug zu Pride und der Happy-Socks-Pride-Kollektion vorstellen.
Was wir an der Kampagne gut finden
Kritisch könnte hierbei gesehen werden, dass lediglich zehn Prozent des Nettoerlöses dieser Kollektion gespendet werden und nicht der gesamte Gewinn. Die Pride-Kollektion von Happy Socks ist allerdings nicht nur im Pride-Month erhältlich, sondern dauerhaft. Das bedeutet, dass dieser Anteil das ganze Jahr über an InterPride gespendet wird. Das Unternehmen setzt sich also das gesamte Jahr über für die Interessen der LGBTQIA+ Community ein. Auch der Fokus auf queere Models und ihre Geschichten ist positiv hervorzuheben, da sie die Persönlichkeiten in den Mittelpunkt stellen.
Wie auf den Bildern zu sehen, ist unsere Geschäftsführerin Katja von der Happy-Socks-Pride-Kollektion schon überzeugt. 😊
Warum unser Social-Media-Advertising-Herz dabei höher schlägt
Die Kampagnen-Videos sind informativ und interessant. Es werden sowohl produktbezogene als auch Story-bezogene Anzeigen geschaltet. In die Anzeigen, in denen queere Models gezeigt werden, sind Untertitel integriert. So sind die Informationen auch für Personen zugänglich, die die Plattformen ohne Ton nutzen. Hier wird zum einen mit langen, ausführlichen Videos und zum anderen mit kurzen, prägnanten Ads gearbeitet, um die bestmögliche Performance zu erzielen.
Pride-Kampagnen – so oder gar nicht
Unser Fazit könnt ihr vielleicht schon erahnen: Unternehmen, die im Juni ausschließlich für einen Image- oder Verkaufs-Boost Pride-Produkte verkaufen – lasst es einfach. Für Unternehmen, die sich auch außerhalb des Pride Month für die LGBTQIA+ Community einsetzen, zum Beispiel mit sensibilisierenden Inhalten und Spenden, kann der Pride Month wiederum ein perfekter Monat sein, um das Thema in den Fokus zu rücken.
Die unserer Meinung nach besten Beispiele für Kampagnen, die sich für die Interessen der LGBTQIA+ Community stark machen, haben wir euch vorgestellt. Welche Kampagnen haben euch besonders gefallen? Schreibt es uns in den Kommentaren!