The Rise of the Corporate Influencer
Hautenge Leggins, weiße Sneaker, ein Sport-BH oder Tanktop, abgerundet mit Basecap und übergroßer Sonnenbrille: So sieht das typische Influencer-Kostüm aus. Das Klischee lebt und kann besonders im Sommer an malerischen Orten wie dem Eibsee am Fuße der Zugspitze in freier Wildbahn beobachtet werden. Mit immer den gleichen Fotomotiven werden da neben der eigenen Person Klamottenlabel ins richtige Licht gerückt und Produkte vor die Kamera gehalten. Individualität und Originalität: Fehlanzeige! Tiefgang? Höchstens, wenn so ein Influencer vom SUP in den eiskalten See fällt. Mit solchen Bildern ist für viele die Diskussion ums Influencer Marketing schon beendet und in der Schublade verschwunden. Schade eigentlich, denn neben spannenden und langfristigen Kooperationsformen mit MarkenbotschafterInnen bieten sich auch in Unternehmen mittlerweile zahlreiche Wege, die eigenen MitarbeiterInnen als Influencer einzubinden. Das funktioniert sogar ganz ohne Basecaps, Sonnenbrillen und Klischees.
Nicht erst seit der Einführung von Internetplattformen wie kununu zur Bewertung von ArbeitgeberInnen ist klar, dass die eigenen Mitarbeitenden die besten BotschafterInnen des Unternehmens sein können – oder eben auch die größten KritikerInnen. Bevor ein Unternehmen also über Influencer-Programme nachdenkt, lohnt sich immer zuerst ein Blick in die besagten Bewertungen. Interne ungelöste Konflikte jeglicher Art sind eine schlechte Voraussetzung für eine offene Kommunikation nach außen. Statt diese Konflikte zu adressieren und zu lösen, halten sich viele Unternehmen aber immer noch lieber bedeckt und ihre Interna komplett geheim, kommuniziert wird nur mit sorgfältig kurartierten Pressemitteilungen und über wenige MitarbeiterInnen. Spätestens beim Versuch, diese Strategie auf soziale Netzwerke wie LinkedIn zu adaptieren, fällt dann auf, dass Reichweite und Resonanz leider ausbleiben. Jeder, der selbst in Social Media unterwegs ist, kennt diese glatten, langweiligen und nichtssagenden Beiträge, über die schnell hinweg gescrollt wird, wenn man der Seite oder dem Profil aus irgendwelchen Gründen überhaupt folgt.
Auch die noch so engagierteste Social-Media-Abteilung tut sich häufig schwer, relevante und interaktionsstarke Inhalte zu produzieren, wenn sie auf einsamem Posten steht, im Unternehmen nicht in die allgemeine Kommunikation eingebunden ist und keine Inhalte zugearbeitet bekommt. Erschwerend kommt hinzu, dass auf LinkedIn – dem derzeit relevantesten Netzwerk für B2B-Kommunikation – persönliche Profile vom Algorithmus deutlich besser behandelt werden als Unternehmensseiten. Die haben natürlich auch ihre Daseinsberechtigung und dienen als (hoffentlich) gut gepflegtes Aushängeschild des Unternehmens, tun sich aber wahnsinnig schwer, ähnliche Interaktionsraten und Reichweiten zu erzielen. Beiträge auf dem persönlichen Profil haben hingegen gerade bei aktuellen und ggf. kontroversen Themen eine sehr hohe Wahrscheinlichkeit, viele Kommentare, Likes und echte Diskussionen einzusammeln.
Genau an dieser Stelle kommt der Corporate Influencer ins Spiel. Was wäre, wenn die eigenen MitarbeiterInnen die Unternehmensbotschaften aus ihrer Perspektive auf ihren eigenen Profilen verbreiten und damit viel mehr Reichweite als auf den offiziellen Kanälen erreichen? Ja genau! Vermutlich haben sie bereits MitarbeiterInnen, die genau dies tun, ohne sich Corporate Influencer zu nennen. Vermutlich könnten sie aber noch deutlich mehr davon gebrauchen, um die Sichtbarkeit ihres Unternehmens, Produkts oder Organisation nachhaltig zu erhöhen. Die zugrundeliegende Idee bei Corporate-Influencer-Programmen ist also keinesfalls neu, die Möglichkeiten und Chancen der Umsetzung allerdings schon. Mit Netzwerken wie LinkedIn wird es zum ersten Mal völlig unkompliziert möglich, ohne technischen Aufwand und ohne Anzeigenbudget relevante Reichweite schnell zu erreichen. Das ist gerade für erklärungsbedürftige, technische oder komplexe B2B-Themen ein Segen. Gleichzeitig sorgen die Netzwerkeffekte dafür, dass sich global Menschen zu bestimmten Themen zusammenfinden und austauschen können, was besonders bei Nischenthemen deutlich effektiver und günstiger ist als beispielsweise die eine spezielle Konferenz pro Jahr.
Kann ich meinen MitarbeiterInnen vertrauen? Was ist, wenn mein Corporate Influencer das Unternehmen verlässt? Ja und ja sind hier die einfachen Antworten. Natürlich eignen sich als Unternehmensbotschafter vor allem KollegInnen, die schon eine Weile im Unternehmen arbeiten, dieses kennen und auch entsprechende Expertise für ihr Thema mitbringen. Dann kann in einem gut funktionierenden Unternehmen davon ausgegangen werden, dass in Social-Media-Netzwerken nichts verbreitet wird, was dem Unternehmen aktiv schadet. Wenn ansonsten kein Vertrauen in der Unternehmenskultur vorhanden ist, wird es an dieser Stelle allerdings auch nicht funktionieren. Die Motivation, Zeit und Energie in den Aufbau des eigenen Business-Profils zu stecken, resultiert unter anderem daraus, dass es sich um eine Win-Win-Situation handelt. Das Unternehmen profitiert von Reichweite und Glaubwürdigkeit, die Mitarbeiterin baut sich ein eigenes Profil und ein wertvolles Netzwerk auf. Wenn sie das Unternehmen verlässt, dann natürlich mit ihrem Profil, dies muss von vornherein im Corporate-Influencer-Programm berücksichtigt sein. Wie der Name „Programm“ jedoch bereits andeutet, sollte ein solches Konzept ohnehin nicht auf einer Person ruhen, sondern von einer Gruppe getragen werden. Dann ist es kein größeres Problem, Nachwuchs zu finden und auszubilden, um eventuelle Abgänge auszugleichen. Außerdem sollte berücksichtigt werden, dass viele ausscheidende MitarbeiterInnen ihrem ehemaligen Arbeitgeber oder ihrer ehemaligen Arbeitgeberin trotzdem wohlgesonnen verbunden bleiben und ihr Netzwerk unter Umständen weiterhin zu dessen Nutzen einsetzen, zum Beispiel durch Weiterempfehlungen.
Fazit
Als Fazit kann festgehalten werden, dass Corporate Influencer grundsätzlich für fast alle Branchen und Unternehmensgrößen eine interessante Option sein können. Bei Startups und sehr kleinen Unternehmen ist natürlich meistens die Gründerin oder Inhaberin der größte Influencer, je größer das Unternehmen wird, desto mehr werden weitere Personen benötigt. Grundvoraussetzungen sind eine intakte Unternehmenskultur, ein gutes Verständnis für Digitalisierung und deren fortgeschrittene Umsetzung im Unternehmen, zum Beispiel bei der internen Kommunikation. Weiterhin werden Inhalte für die Kommunikation benötigt, die sich unter anderem aus der strategischen Zielsetzung ergeben (z.B. Employer Branding vs. Akquise von NeukundInnen). Last but not least hat es sich in der Praxis bewährt, die eingebundenen MitarbeiterInnen entsprechend zu schulen und auszubilden bzw. die Strategie mit ihnen gemeinsam zu entwickeln. Mit all diesen Elementen lässt sich ein langfristig erfolgreiches und sehr nachhaltiges Social-Media-Instrument entwickeln, das zur Erreichung der Unternehmensziele effektiv beitragen kann.